Max Liebermann

Zwei holländische Mädchen
ca. 1882

Max Liebermann, Zwei holländische Mädchen

Öl auf Malkarton auf Leinwand

52 × 40 cm

Signiert

Rückseitig Etikett der Galerie Thannhauser, München

Das Werk wird in den in Vorbereitung befindlichen Nachtrag des Werkverzeichnisses der Gemälde von Prof. Dr. Matthias Eberle, Berlin, unter der Nummer 1882/10a aufgenommen

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Expertise

Prof. Dr. Matthias Eberle, Berlin

Provenienz

Galerie Thannhauser, München (1917); Kunsthaus Lempertz Köln (1959); Stuttgarter Kunstkabinett (1962); Privatsammlung Schweiz

Literatur
  • Moderne Galerie Thannhauser München, "Nachtragswerk II", München 1917, Tafel 60

In den 1880er Jahren reist Max Liebermann bereits regelmäßig in die Niederlande, um dort das Land- und Dorfleben zu studieren und es in Zeichnungen, Pastellen und Gemälden festzuhalten. In den Werken dieser Zeit zeigt Liebermann Männer und Frauen bei ihrer Heimarbeit, auf dem Feld und beim Kirchgang, Kinder auf dem Weg in die Schule oder etwa das Zusammenleben in Waisen- und Altmännerhäusern. Sein Interesse gilt dem vorgefundenen Miteinander, insbesondere den subtilen menschlichen Beziehungen zwischen Geschwisterkindern und den Familien- bzw. Dorfmitgliedern untereinander. Seine Faszination für das einfache Leben erläutert er in einem Brief an seinen Bruder Felix wie folgt: „Am Küchentisch sitzen Kuhhirt, Mädchen, Knecht, Herrschaft alles beisammen und essen aus derselben Schüssel. Alles duzt sich wie eine große Familie. Armut gibt es hier nicht. […] die Menschheit [ist] bieder und rechtdenkend.“1) Das Gemälde „Zwei holländische Mädchen“, das um 1882 entstanden sein muss, zeigt zwei Bauernkinder, das größere stehend, das Kleinkind links daneben auf dem begrünten Boden sitzend. Im rechten Hintergrund erkennt man eine große, dunkle Fläche, die vermutlich den Ansatz eines Scheunentores darstellt. Im linken Hintergrund deutet Liebermann schemenhaft eine Hausfassade mit Türund Fensteröffnung an.

Die beiden Mädchen sind frontal dargestellt. Liebermann malt sie in einem Moment des Innehaltens. Die Kinder scheinen ihr Spiel kurz unterbrochen zu haben und schenken dem neugierigen Künstler mit seiner Staffelei nun ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Haltung und Mimik wirken ungestellt und authentisch. Weiterführende Hinweise auf ihre Gemütslage geben die Kinder nicht preis.

Auffallend ist die Bekleidung beider Kinder, die über den langen braunen Kleidern typische Schürzenkittel tragen. Ihre Häupter sind von kleinen, dunklen Hauben bedeckt. Die Tracht verweist auf das im Osten der Niederlande liegende Dorf Zweelo, auf dessen malerischen Charme Liebermann durch seinen Malerfreund Jozef Israëls aufmerksam gemacht worden war. Seinem Rat folgend, lebt und arbeitet der Berliner Maler von August 1882 an für drei Monate in der holländischen Provinz Drenthe, wo vermutlich auch das vorliegende Werk entstanden ist.

Aus den großen Bereichen erdigen Kolorits, hebt Liebermann mit zart schimmerndem Inkarnat die rosigen Gesichter der beiden Kinder hervor. Während die Bereiche des Hintergrunds und des Bodens recht flüchtig festgehalten sind und die forsch gemalten Lichtreflexe auf der Schürze des älteren Mädchens bereits auf die spätere Entwicklung des stetig moderner werdenden Malstils von Liebermann hinweisen, legt der Künstler großen Wert auf die detailgetreue Ausgestaltung der kindlichen Gesichter.

Weitere Gemälde aus dem Jahr 1882 zeigen vergleichbare Darstellungen von jungen Mädchen in ihrer landestypischen Tracht mit teilweise bemerkenswert ähnlicher Physiognomie (vgl. WVZ Eberle Nr. 1882/12 oder 1882/10). Die Vermutung liegt nahe, dass der Maler von Zeit zu Zeit auf Studien zurückgriff, um diese in unterschiedlichen Gemälden zu variieren. Matthias Eberle erkennt eben jenes Verfahren auch bei unserem Werk und nimmt an, Liebermann habe hier zwei Studien zu Kinderbildnissen zusammengefügt.2)

Unsere „Zwei holländischen Mädchen“ gewähren also mehr als nur einen sehr stimmungsvollen Einblick in das einfache Landleben des späten 19. Jahrhunderts. Vielmehr lässt sich anhand unseres frühen Gemäldes die Arbeitsweise Liebermanns erläutern und man kann bereits das sehr virtuose Zusammenspiel realistischer und äußerst modern gemalter impressionistischer Partien beobachten, die Liebermann als einen großen Meister der Malerei des 20. Jahrhunderts kennzeichnen.

Anm.: 1) Matthias Eberle, „Liebermann – Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien 1865-1899“, München 1995, S. 16.

2) Vgl. Expertise von Dr. Matthias Eberle zu „Zwei holländische Mädchen“.

Über Max Liebermann

Als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Impressionismus sind Max Liebermanns Genreszenen, Gartenbilder und Landschaften in großen Museen vertreten.

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